Studium ohne Abitur? Das kommt für viele Schülerinnen und Schüler auf dem klassischen Weg gar nicht vor: Schule, mittlere Reife, Ausbildung, Job. Es gibt unzählige Ausbildungsberufe und gerade Teenager, die nach ihrem Schulabschluss erstmal keine Lust mehr auf jahrelanges Lernen haben, sehen den Ausbildungsberuf als optimale Entscheidung für die Zukunft.
Praxisnah, von Anfang an mitten im Geschehen und Geld verdienen ab dem ersten Tag – ein typisches Studium kann da kaum mithalten. Aber was, wenn nach den ersten Jahren Berufserfahrung der Wunsch nach Weiterbildung kommt – oder gar nach einer ganz anderen Zukunft? Oft steht da das Studium als große Chance für den extra Karrierekick im Raum. Aber ist das Studium ohne Abitur für Berufstätige, die nur eine abgeschlossene Ausbildung haben, überhaupt eine Möglichkeit? Absolut! Wir erklären dir, wie’s geht.
Inhalt
Studium ohne Abitur – längst keine Seltenheit mehr!
Eine ausgebildete Pharmazeutikerin, die den Wunsch hat, in der Forschung gegen bisher unheilbare Krankheiten zu arbeiten? Ein gelernter technischer Zeichner, der am liebsten ganze Städte entwerfen würde? Große Ziele, keine Frage. Allerdings qualifizieren sich in Deutschland immer mehr Berufstätige für ein Studium – auch ohne Abitur. Und ist diese Qualifikation gegeben, rücken auch große Ziele ganz schnell in greifbare Nähe. Seit 2009 ist es in Deutschland möglich, auch ohne Abitur eine Hochschule oder Universität zu besuchen. Die Menge derer, die dieses Angebot annehmen, steigt stetig.
Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) zählte 2016 rund 57.000 Studierende, die sich seit 2009 ohne Abitur auf den Weg zum Hochschulabschluss gemacht haben. Allein im Jahr der Studie haben rund 7.200 Studierende ihr Studium erfolgreich abgeschlossen. Die beliebtesten Studiengänge? Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Mehr als die Hälfte aller Studierenden ohne Abitur streben laut CHE einen Abschluss in diesen Fachrichtungen an. Männer sind im Vergleich zu Frauen, die ohne Abitur an die Uni gehen, mit 55% etwas häufiger vertreten – viel interessanter als dieser Vergleich ist allerdings das Alter der Studierenden ohne Abi.
Während die Hochschulabsolventinnen und Absolventen in den vergangenen Jahren in Deutschland durchschnittlich immer jünger wurden und das Durchschnittsalter beim Abschluss des Erststudiums 2016 gerade mal bei 24 Jahren lag, ist unter den Studierenden ohne Abitur fast jeder zweite älter als 30. Mit einem Ausbildungsabschluss und mehreren Jahren Berufserfahrung in der Tasche wiederum gar nicht so verwunderlich. Aber wie schafft man es nun, sich den Studienplatz auch ohne Abi zu sichern?

Zulassungsvoraussetzungen für ein Studium ohne Abitur
Den klassischen Weg zum Studium kennt wohl jeder: Am Gymnasium oder der Fachhochschule das Abitur machen und sich dann an der Uni oder Hochschule der Wahl bewerben. Viele Schülerinnen und Schüler, die zunächst eine Realschule besucht und die mittlere Reife erlangt haben, holen ihr Abitur auf dem sogenannten zweiten Bildungsweg nach und erreichen so ihre Zugangsberechtigung für die Universität.
All diejenigen, die nach ihrem Schulabschluss eine Ausbildung gemacht haben und nun bereits berufstätig sind, haben die Möglichkeit, über den dritten Bildungsweg den Zugang zum Studium zu erhalten. „Gedacht sind diese Zugangswege für Menschen, die ihre Qualifikation für den Besuch einer Hochschule vor allem durch ihre Berufsausbildung und Berufserfahrung gewonnen haben“, erklären wir in unserem Video zum Thema.
Generell gilt: inzwischen ist es möglich, bundesweit an jeder Hochschule ohne Abitur zu studieren. Rund 8.000 von insgesamt 19.000 Studiengängen stehen dafür offen. Und sogar medizinische Fächer können ohne Abitur studiert werden, da das Bewerbungsverfahren hier zentral von der Stiftung für Hochschulzulassung durchgeführt wird. Laut CHE haben rund 700 von 107.000 Studierenden in medizinischen Studiengängen kein Abitur. Etwa 150 Studienanfängerinnern und Studienanfänger kommen jährlich in Human- und Zahnmedizin hinzu.
Die gesetzlichen Regelungen zu den Zulassungskriterien, die Studien- und Serviceangebote sowie die Entwicklung der Zahlen von Studierenden ohne Abitur unterscheiden sich allerdings teils erheblich je nach Bundesland, manchmal sogar von Hochschule zu Hochschule. Eine gute Übersicht mit detaillierten Auskünften über die bundeslandspezifischen Regelungen für Studiengänge mit beruflicher Qualifizierung bietet diese Karte des CHE.
Wege zum Studium ohne Abitur
In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen beispielsweise gibt es drei mögliche Wege zum Studium.
Der Meisterbrief
Zunächst zählt der Meisterbrief oder ein gleichwertiger Abschluss wie die Fachwirtin oder der Fachwirt als sogenannte berufliche Aufstiegsfortbildung und wird mit dem Abitur gleichgesetzt. Dadurch haben einige Berufsgruppen automatisch ihre Zugangsberechtigung zum Studium, beispielsweise staatlich geprüfte Technikerinnen und Techniker, Kapitäninnen und Kapitäne oder staatlich anerkannte Erzieherinnen und Erzieher.
Der Vorteil hierbei? Studieninteressierte müssen mit dieser Qualifizierung nicht zwangsläufig ein Studium mit thematischem Bezug zu ihrem bisherigen Beruf wählen. In der Regel haben sie die volle Auswahlmöglichkeit innerhalb der Studiengänge, die für beruflich Qualifizierte offenstehen – teilweise mit vorheriger spezifischer Eignungsprüfung.
Die Eignungsprüfung
Wer keinen Meisterberuf ausübt, der kann sich über eine sogenannte Hochschuleignungsprüfung in Zusammenhang mit seiner beruflichen Vorbildung für eine fachgebundene Zugangsberechtigung qualifizieren. Mit dieser kann dann an einer Hochschule oder Universität ein Studium absolviert werden, das thematisch zum Ausbildungsberuf passt. Diese Prüfungen werden allerdings eher in Einzelfällen und nicht an allen Hochschulen angeboten.
Durch diese beiden Zugangswege ergibt sich für Studieninteressierte die Möglichkeit, auch Studiengänge mit Numerus Clausus ohne Abitur zu belegen. In vielen Bundesländern werden in zulassungsbeschränkten Studiengängen nämlich durch sogenannte „Vorabquoten“ einige Studienplätze für besondere Personengruppen reserviert. Somit erhöhen sich die Chancen für Berufstätige ohne Abitur, einen NC-beschränkten Studienplatz zu ergattern.
Die Probezeit
Die dritte Möglichkeit ist ein Probestudium in Studiengängen ohne NC für beruflich Qualifizierte, die ihre Ausbildung vor fünf Jahren absolviert und mit der Note 3 oder besser abgeschlossen haben. Hier gilt es, zunächst die Probezeit zu überstehen, die je nach Hochschule entweder zwei oder vier Semester dauert. Ist das geschafft, winkt den Studierenden ein vollwertiger Studienplatz. Zeiten von Kindererziehung, die Pflege von Familienmitgliedern, eine weitere Berufsausbildung oder freiwillige soziale oder ökologische Jahre können oft auf die geforderte Berufspraxis angerechnet werden.
Eine Sonderregelung bei diesen Zugangswegen gibt es übrigens auch, allerdings nur für künstlerische Ausnahmetalente. Sie bewerben sich direkt bei der Film-, Kunst-, Theater- oder Musikhochschule ihrer Wahl. Wenn diese zustimmt, dürfen sie dort studieren. Ohne Abitur und unabhängig davon, wo und wie lange sie vorher zur Schule gegangen sind.
Präsenzstudium oder Onlinestudium?
Über die obigen Zugangswege können sich Studieninteressierte ohne Abitur einen Vollzeit-Studienplatz an einer Universität oder Hochschule sichern. Allerdings besteht neben dem Präsenzstudium auch die Möglichkeit, ein berufsbegleitendes Studium zu absolvieren – für viele Berufstätige, die ihren Job für die Weiterbildung nicht aufgeben oder pausieren wollen, eine optimale Alternative. Die Zugangsberechtigungen zum Online-Studium erhalten Berufstätige über dieselben Wege wie für ein Präsenzstudium.
Der Vorteil im Vergleich zum Präsenzstudium? Ganz klar die Flexibilität. Ob du bereits Nachwuchs hast, regelmäßig auf Geschäftsreisen fährst oder ein zeitaufwendiges Hobby betreibst – beim digitalen Studieren geht es genau darum, deine persönlichen Bedürfnisse mit deinem Beruf und der Weiterbildung zu vereinen. Denn du hast die Wahl zwischen einem Vollzeit-Online-Studium oder einem individuellen Teilzeit-Modell.
Hast du dir einmal deinen Fernstudienplatz geschnappt, entscheidest du selbst, ob du als Frühaufsteher Samstagmorgen pauken möchtest oder ob du doch eher Langschläfer bist und dich nach Feierabend an den Schreibtisch setzt. Dadurch, dass dein Online-Studium zum Großteil digital stattfindet, kannst du jederzeit und an jedem Ort studieren und hast deine Unterlagen über Smartphone, Tablet oder Laptop immer dabei.
Außerdem profitierst du beim berufsbegleitenden Studium natürlich auch davon, dass du weder deine finanzielle Sicherheit aufgeben noch deinen bisherigen Lebensstandard runterschrauben musst. So auch Daniel, der eigentlich gar kein Studium im Sinn hatte. Als sein Chef ihm diese Option allerdings vorgeschlagen hatte und sogar anbot, das Studium zu finanzieren, entschied sich der 25-Jährige, die Chance zu nutzen. Seitdem studiert er zwei Tage die Woche online Wirtschaftsinformatik und bleibt gleichzeitig finanziell unabhängig. Auch Katja, Studentin an der FH Kiel, hat sich als berufstätige Mutter zu einem Online-BWL-Studium entschieden – ohne Abitur: „Ich hab einfach den Mut gefasst und gesagt, so, ich probier das jetzt aus.“
Das Studium ohne Abitur meistern
Dass die Doppelbelastung von Online-Studium und Beruf natürlich kein Spaziergang ist, das können die meisten Online-Studierenden aus eigener Erfahrung berichten. Denn während das berufsbegleitende Studium Flexibilität und finanzielle Unabhängigkeit bietet, kommt zum oftmals ohnehin schon vollen Alltag noch ein weiterer Baustein hinzu, der plötzlich einige Zeit in Anspruch nimmt.
Besonders in Prüfungsphasen ist der Stressfaktor oft hoch: „Beim Studium […] gibt es immer Hürden, die einen zweifeln lassen, ob man da weiterkommt. Aber man kann das schaffen, man muss es nur selbst wollen“, so Katja. Eine gute Alltags-Organisation und eine Portion Selbstvertrauen in das eigene Können sind perfekte Begleiter, um auch in solchen stressigeren Phasen einen kühlen Kopf zu bewahren und das eigene Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
Doch nicht nur das berufsbegleitende Online-Studium, sondern auch sämtliche Präsenzstudiengänge sind für Berufstätige ohne Abitur Chance und Herausforderung zugleich. „Die Kombination von Berufs- und Hochschulbildung wird immer mehr zum Normalfall“, so Frank Ziegele, Geschäftsführer des CHE. „Gelernte Krankenpfleger oder Handwerksmeisterinnen sind heute keine Exoten mehr auf dem Campus, sondern gehören zur selbstverständlichen Vielfalt der Studierenden an deutschen Hochschulen.“
Gleichzeitig sehen sich Studierende ohne Abitur aber auch mit Vorbehalten konfrontiert. Was, wenn der Schulstoff aus der Oberstufe fehlt oder das akademische Arbeiten schwerfällt? Zwischen Schulabschluss und Studienstart liegen oftmals mehrere Jahre. Besonders in Studiengängen mit mathematischen Inhalten scheinen viele Studierende ohne Abitur Hintergrundwissen zu vermissen. So auch der 23-jährige Stefan, der Wirtschaftsinformatik ohne Abi studiert: „Für Mathe wäre es wirklich nicht schlecht gewesen. Da war es hart reinzukommen. Analysis und Statistik hat man nicht in der Realschule. Da habe ich mich am Anfang schwer getan. Es waren diverse Abende und Bücher notwendig, um das nachzuholen. Das war sehr aufwendig.“
Um solche Frustrationen bei den Studierenden mit Ausbildung statt Abi zu verhindern, sind besondere Brückenkurse oder Mentorenprogramme notwendig. Denn diejenigen, die direkt vom Job ins Studium kommen, benötigen häufig eine andere Art der Betreuung im Vergleich zu frisch gebackenen Abiturientinnen und Abiturienten.
Insbesondere Hochschulen sind auf diese Anforderungen besser eingestellt als klassische Universitäten, da sie generell praxisorientierter aufgestellt sind. Allerdings sind diese in ihrem Selbstverständnis oft auf ein jüngeres Alter ausgerichtet und müssen sich ebenfalls erstmal an die neue Situation im Hörsaal gewöhnen. Denn die Öffnung des Studiums bedeutet vor allem, dass immer mehr bunt gemischte Truppen an Vorlesungen teilnehmen. Da sitzt schonmal der 18-jährige Erstsemester, der noch bei seinen Eltern wohnt, neben der 40-jährigen gelernten Bürokauffrau, die bereits eine kleine Tochter hat. Solche Situationen sind spannend – für die Bildungseinrichtungen, die Lehrenden und die Studierenden selbst.
Führt Studium ohne Abitur zu geringerem Studienerfolg?
Erste Studien des CHE zeigen, dass die Anzahl der Studierenden, die ihr Studium ohne Abitur erfolgreich abschließen, immer weiter steigt. Fast jährlich gibt es neue Höchstwerte. Der Notenschnitt unterscheidet sich dabei kaum von Studierenden mit Abi. Übrigens: die beliebtesten Bundesländer für das Studium ohne Abitur sind Hamburg (4,6%), Nordrhein-Westfalen (4,2%) und Berlin (3,6%).
Du findest, so ein Studium ohne Abitur klingt nach der perfekten Möglichkeit, deine Karriere voranzutreiben? Dann solltest du dir vor deiner Entscheidung ein paar ganz persönliche Fragen stellen, damit dein Studium für dich auch zum Erfolg wird. Zum Beispiel folgende:
- Was habe ich nach dem Studium mit meiner Karriere vor?
- Welches Studienangebot passt am besten zu meinen Zielen?
- Gibt es an der Hochschule meiner Wahl besondere Beratungsmöglichkeiten für Studierende ohne Abi?
- Währe ein Online-Studium für mich vielleicht die richtige Wahl?
- Stehen meine Familie beziehungsweise mein Partner oder meine Partnerin hinter meiner Entscheidung und unterstützen mich auch dann, wenn’s mal stressig wird?
Wenn du dich vor deinem Studienstart ausführlich mit dem Thema auseinandersetzt und genau weißt, worauf du für deine Zukunft Wert legst, dann hast du schon die ersten Schritte zum Studium ohne Abi gemeistert. Denn wenn nach Ausbildung und einigen Jahren Berufserfahrung der Wunsch nach besseren Karrierechancen oder einem ganz anderen Job wächst, dann ist eine gute Vorbereitung auf die neue Situation wichtig, um das Studium mit Spaß und Motivation zu schaffen.
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